
Ankunft
Es war ein grauer Tag im August. Kalter Nieselregen tropfte auf die Sudermar, die im Hafen von Stavoren festgemacht hatte. Die Sudermar war ein alter Pott aus dem Jahr 1904 (älter als die Titanic) der die Holländer jahrzehntelang mit Kohle, Holz und anderen Frachten versorgt hatte und nun mit fast neuen Segeln, aber abgerissenem Klüverbaum und morschem Tauwerk bereit war für neue Abenteuer. Sipke, der gutmütige Friesenpirat und Kapitän kam gerade mit dem rumänischen Schiffshund Judith vom Gassi gehen. Matrose Jan-Berend, erfahren und gefürchtet auf allen Weltmeeren, hatte die letzten Benzel geflickt (geht noch für zwei Wochen!) und Monique, die Piratenbraut und gute Seele des Schiffs, hatte nochmal feucht durchgewischt (zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch einen Schrubber in Reserve). Für die neue, unheilvolle Kaperfahrt aufs IJssel- und Wattenmeer hatten sich die vier eine spezielle Crew angeheuert. Nur die Härtesten waren geeignet, und so erschien eine Truppe vom „Kriegersee“ (!) für die zu erwartenden Gefahren adäquat. Sie bestand aus Marianne mit ihren GefährtInnen Guido, Jan und Merle, auch im niederländischen gefürchtete Gesellen, Dominik, einem erfahrenen Fighterkapitän aus dem Badischen mit Vorschoterin Petra, Joan der berüchtigte Teufelsgeiger mit seiner Angetrauten Kerstin, Basti und David, zwei junge, aber nicht minder gefürchtete Seefahrer, Detlef, seines Zeichens Kentermeister mit seiner Ehefrau Diana, Annemone, einer furchtlosen Wellenreiterin vom Altrhein und Corinna, Sydney und Roland, drei eher unbekannten Hobby Paddlern aus dem Achertal. Alle waren von weit her, auf dem Landweg, zum Teil in mehreren Etappen, angereist, hatten in verlausten Holzhütten und Campingbussen übernachtet und auch sonst mit ihrem Leben abgeschlossen.

Erster Tag (Samstag 16.8.)
Nach einer herzlichen Begrüßung wurde Proviant einkauft und an Bord geschafft, bis die Sudermar zum Bersten gefüllt mit Nudeln, Zucchini, Bier und Funktionskleidung war. Ein Teil der Crew hatte sich als Smutjes bereit erklärt die Meute kulinarisch bei Laune zu halten. In der engen Kombüse und mit Tag für Tag steigendem Adrenalin lebensgefährlich wie ein Tanz auf dem Vulkan. Doch erstmal war Ablegen angesagt. Sipke erledigte die Manöver ruhig und gewissenhaft währen Jan-Berend die Mannschaft auf Trab hielt. Die Segel mussten ausgepackt und hochgezogen werden. „Kurbeln!“ schallte es laut über Bord, nach ersten sich andeutenden Lungeninfarkten wurde trocken mit „Weiterkurbeln!“ motiviert. Das Galeerenschiff setzte sich Richtung Medemblik in Bewegung. Vor jeder Wende mussten die Backstagen um- und nach dem Weckruf „Kurbeln!“ durchgesetzt werden. Generell, ob Schwerter, Backstagen, Großfall, Großschot, Dirk, Fockfall, alles musste „gekurbelt“ werden. Doch die im Fitnessstudio gestählten Teile der Mannschaft schafften alle Aufgaben mit Leichtigkeit, der Rest bereitete Häppchen, gab sich dem Alkohol hin oder betrieb in der Koje Augenpflege. Pünktlich wurde das Ziel erreicht und mit dem traditionellen Festmacherbier belohnt. Arme Ritter (dank Joan) und mexikanischer Eintopf (dank Diana) sorgten für den kulinarischen Abschluss vor dem fälligen Landgang. Was für ein Auftakt!

Zweiter Tag (Sonntag 17.8.)
Als nächstes Ziel wurde Oudeschild auf der Insel Texel ausgelobt. Texel liegt im Wattenmeer, sodass die Schleuse passiert werden musste. Von nun an legte sich das Salz der Nordsee auf die Haut der Protagonisten. Wind und das raue Wattenmeer beutelten die Crew nach Kräften, die Salamischnittchen fegte der Wind vom Teller und zu allem Überfluss mussten vor der Hafeneinfahrt auf das strenge Kommando von Jan-Berend die „Segel schön!“ gemacht werden. Doch auch das gelang. Festmacherbier. Belohnung war ein feines Essen im De Companie bzw. Im Havenzicht (die ganze Crew hatte nirgends Platz). Abendspaziergang. Landschaft mit Segelschiffen. Ein Traum!

Dritter Tag (Montag 18.8.)
Nächste Etappe war West-Terschelling. An sich schien das eine lösbare Aufgabe. Der Feind hatte sich jedoch unter den SeebärInnen eingenistet: Sandbänke! Groß wie die Sahara und unsichtbar wie das Corona Virus lauerten sie in der (Un-)Tiefe. Die Seekarten (die waren wohl nicht ganz aktuell, vielleicht waren es die, die bei der Auslieferung des Schiffs dabei waren) waren jedenfalls keine große Hilfe. Immer wieder musste Käptn Sipke das Schiff mit dem Schiffsdiesel befreien oder gar auf Hochwasser warten. Doch es klappte. Ankunft. „Segel schön machen!“. Festmacherbier. Diana und Detlef verwöhnten die Mannschaft mit feiner Makrele und Gemüse. Was für ein Tag!

Vierter Tag (Dienstag 19.8.)
Ziel des Tages sollte Vliehland sein. Die raue Wattensee tat ihr bestes, um die HeldInnen der Sudermar nach Kräften zu fordern. Auch an diesem Tag schoben sich die Sandbänke unaufhörlich vor den Kahn, als ob das Schiff sie magisch anziehen würde. Die Mannschaft nutzte die Zeit, in der Sipke schwitzte, um das Boot wieder flott zu machen, mit der Beobachtung der vorbeitreibenden und am Strand liegenden Robben und dem Vertilgen der leckeren Poffertjes, die Marianne in rauen Mengen mit Butter und Stroop aus der Kombüse an Deck strömen ließ. Ankunft, „Segel schön machen!“. Festmacherbier. Selbst gekochte Spaghetti al Arrabiata mit Oliven von Joan mit Crepe als Nachspeise. Superb!

Fünfter Tag (Mittwoch 20.8.)
Die Sonne war gerade um 6 Uhr aufgegangen, da startete Sipke schon den Schiffsdiesel. Jan-Berend löste die Taue und die Sudermar legte Richtung Richel ab. Die Hälfte der Crew lag noch in den Kojen, die andere hielt an Deck nach Robben Ausschau. Als alle wach waren wurde gefrühstückt und bald war das Ziel erreicht, wo das Schiff, diesmal bewusst, trockenfallen sollte. Die Ebbe ließ alles Wasser um die Sudermar verschwinden und zauberte eine surreale Landschaft aus Watt, Möwen und Segelschiffen. In der Ferne war eine Forschungsstation zu sehen, in der im Frühjahr und Herbst Wissenschaftler die rastenden Vogelschwärme beobachteten. Jetzt im Sommer traf man dort gut gelaunte Freiwillige, die außer Touristen zu informieren eine ruhige Zeit mit Landschaft und Rotwein genießen konnten. Die Zeit, bis die Flut die Sudermar wieder flott machen sollte wurde mit dem Sammeln von Herzmuscheln überbrückt. Das Wasser ließ sich Zeit, und es dauerte eine Weile bis Sipke den Kahn aus dem Watt heraus geschaukelt hatte. Jetzt ging es unter Segeln nach Harlingen, das auf direktem Weg, mitten durch einen Wind Park, aber recht spät, erreicht wurde. Nach dem Festmacherbier Restemenü aus Nudeln, Reis und Gemüse. Herzmuscheln für morgen gewässert. Watt für ein Tag!

Sechster Tag (Donnerstag 21.8.)
Die auf See schon etwas ausgelaugte Crew hatte das Bedürfnis nach einem längerem Landgang, sodass erst kurz nach 12 Uhr abgelegt wurde. Bei gutem Wind lautete das Ziel Makkum. Die meuternden Seefahrer wurden aufmüpfig und legten eigenmächtig los, aber Jan-Berend hatte alle im Griff. „Nein Nein Nein!“. Liebevoll, aber nicht weniger energisch wurde die Disziplin bewahrt. „Backstagen! Kurbeln! Wenden!“. Durch die Schleuse ging es mit 2 anderen Plattbodenschiffen zurück ins IJsselmeer. „Segel schön! Abfendern! Anlegen! Laufplank!“. Festmacherbier. Als Vorspeise gab es die von Joan lekker zubereiteten gesammelten Herzmuscheln, die manchmal im Mund etwas merkwürdig knirschten. Danach gemeinsames feines Abendessen im de Zwaan. Es war also für jeden was dabei.

Siebter Tag (Freitag 22.8.)
Wehmütig, ob des schon in der Luft liegenden Abschieds, wurde ausgiebig gefrühstückt, danach liess Jan-Berend die Segel richten und die Sudermar konnte Richtung Stavoren auslaufen. Sipke und Jan-Berend führten die Mannschaft noch durch das schwierige Manöver der Patenthalse, aber zumindest blieb man von weiteren Sandbänken verschont. Pünktlich wurde das Ziel erreicht, wo die Smutjes sogleich begannen, die restlichen Vorräte in Gestalt von Rührei, Bratkartoffeln und Muschelsuppe zu verkochen. Ein knapper Festmeter Zucchini blieb übrig. Nach der gemeinsamen Henkersmahlzeit incl. finalem Festmacherbier war die Zeit des Abschieds gekommen.

Fazit
Die Seekrieger aus Rheinmünster haben sich in so mancher Schlacht auf und unter Deck wacker geschlagen und viel dazugelernt:
- Eine komplett ranzige Schot hält auf jeden Fall noch zwei Wochen
- So wie du zu anderen bist, so ist das Leben zu dir (Jan-Berend)
- Mit Salami und einer Wäscheklammer kann man einiges (an-)fangen
- Herzmuscheln schmecken auch mit Sand
- Egal was passiert: weiter kurbeln!
- Klüverbaum ist überbewertet
- … und vieles mehr
So zogen alle wieder auf vier Rädern zurück in ihren Alltag. Unser großer Dank gebührt Sipke, Monique und Jan-Berend für eine tolle Woche in einer anderen, wahrscheinlich besseren Welt.
